1757 - 1765
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Mit Johann Lorenz Gasser hat man es mit einem Vertreter der sogenannten „ersten Wiener Medizinischen Schule“ zu tun, einer Hochphase der medizinischen Lehre an der Universität Wien, die mit Gerhard Van Swieten, der eigens von Kaiserin Maria Theresia bestellt wurde, um die Medizinische Fakultät und die Medizinische Ausbildung zu verbessern, begann. {i} In dieser historischen Auseinandersetzung wird dieser Begriff in Bezug auf die Anatomie ansonsten bewusst gemieden wird, weil er eine binäre Einteilung (herausragend – nicht herausragend) schafft, die historische Kontinuitäten oder Entwicklungen überdeckt, wenn nicht regelrecht ignoriert. {ii}
Johann Lorenz Gasser wurde 1723 in Kärnten in Maria Saal geboren und studierte Medizin an der Universität Wien. Ab 1754 vertrat er Franz Joseph Jaus bei den anatomischen Vorlesungen, obwohl er zu dieser Zeit noch nicht promoviert hatte. 1757 promovierte er zum Dr. med. und wurde sofort zum Professor für Anatomie ernannt. {iii} In den Konsistorial-Akten steht dazu folgendes:
„Ihre Kayl. Königl. Maytt. unser allergnädigste Erblandesfürstin, und frau hätten vermög […] dem Johann Lorenz Gasser Doctori medicina, auf sein allerunterthanigstes bitten und in allergnädigster [?] seiner in Offentlichen Docirung der Anatomia bereits durch drey Jahr an den Tag gelegten besonderen Erfahrnheit auch in Rucksicht der Ihme in den übrig theilen deren medicinischen Wissenschafften besizenden gelehrsamkeit, und dessen Ihro angerühmten übrigen guten Eigenschafften über den allerhöchst Ihrselben besehnen allergehorsamsten Vortrag, die seit einiger zeit bey der hisigen Universitat offenstehende Stelle eines Professoris Medicina et Anatomia, mit dem derselben (anstehende?) und à 1ma nächst künsttigen Monats Novembris anzufangen habenden gehalt zu jahrl. 1500 fl. allergnädigst zu verleyhen geruhet.“ {iv}
Der Anatom wurde nun per 1. November 1757 zum Professor berufen und hatte die Professur bis 1765 inne. Joseph Hyrtl, später ebenfalls Professor für Anatomie in Wien, beschrieb die Anatomie unter Gasser als erste Glanzstunde dieses Faches, da von Gasser, im Vergleich zu seinen Vorgängern, nicht nur ambitioniert gelehrt, sondern auch systematisch wissenschaftlich gearbeitet wurde. Er verfasste Schriften und veröffentlichte anatomische Entdeckungen. So beschrieb er etwa das Ganglion trigeminale, das nach ihm auch als Ganglion Gasseri bezeichnet wird. {v}
Die Zeit von Johann Lorenz Gassers Wirken war recht kurz, denn er verstarb bereits am 2. April 1765. So ist erneut in den Konsistorial-Akten zu lesen: „[…] Gnädige Herren; Demnach Herr Johann Laurentius Gasßer Ph[i]l[osoph]iae et Medicinae Doctor, Kayl. Königl. Rath, und Anatomes Professor publicus den 2. diß Monaths April in dessen in der Singerstrassen in steinerne Röße dritten Stocks ingehabten Wohnung mit zurucklassung des untere 4. profati bereits publicierten Testament das zeitliche gesengent.“ {vi}
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► {english version}
With Johann Lorenz Gasser, we are dealing with a representative of the so-called "First Viennese Medical School," a peak period in medical education at the University of Vienna that began with Gerhard Van Swieten, specifically appointed by Empress Maria Theresa to enhance the Medical Faculty and medical education. {i} In this historical context, the term is consciously avoided concerning anatomy, as it creates a binary classification (outstanding - not outstanding) that obscures historical continuities or developments, if not outright ignored. {ii}
Johann Lorenz Gasser was born in 1723 in Maria Saal, Carinthia, and studied medicine at the University of Vienna. From 1754, he represented Franz Joseph Jaus in anatomical lectures, although he had not yet obtained his doctorate at that time. In 1757, he earned his doctorate in medicine (Dr. med.) and was immediately appointed as a professor of anatomy. {iii} The Consistorial Records state the following about this:
„Ihre Kayl. Königl. Maytt. unser allergnädigste Erblandesfürstin, und frau hätten vermög […] dem Johann Lorenz Gasser Doctori medicina, auf sein allerunterthanigstes bitten und in allergnädigster [?] seiner in Offentlichen Docirung der Anatomia bereits durch drey Jahr an den Tag gelegten besonderen Erfahrnheit auch in Rucksicht der Ihme in den übrig theilen deren medicinischen Wissenschafften besizenden gelehrsamkeit, und dessen Ihro angerühmten übrigen guten Eigenschafften über den allerhöchst Ihrselben besehnen allergehorsamsten Vortrag, die seit einiger zeit bey der hisigen Universitat offenstehende Stelle eines Professoris Medicina et Anatomia, mit dem derselben (anstehende?) und à 1ma nächst künsttigen Monats Novembris anzufangen habenden gehalt zu jahrl. 1500 fl. allergnädigst zu verleyhen geruhet.“ {iv}
The anatomist was appointed professor November, 1 1757. He held the position until 1765. Joseph Hyrtl, his successor on of Gasser´s successors as professor of anatomy in Vienna, described the era under Gasser as a glorious time of the discipline as Gasser, unlike he precursors, not only taught actively but also intensely focused on his systematic scientific research. E.g. he described the Ganglion Trigeminale, which after him is also called the Ganglion Gasseri. {v}
The period of Johann Lorenz Gasser´s activity was quite short, as he passed away on April 2, 1765. Once again, this information can be found in the Consistorial Records: „[…] Gnädige Herren; Demnach Herr Johann Laurentius Gasßer Ph[i]l[osoph]iae et Medicinae Doctor, Kayl. Königl. Rath, und Anatomes Professor publicus den 2. diß Monaths April in dessen in der Singerstrassen in steinerne Röße dritten Stocks ingehabten Wohnung mit zurucklassung des untere 4. profati bereits publicierten Testament das zeitliche gesengent.“ {vi}
{i} Vgl. hierzu „Die medizinische Schule des 18. Jahrhunderts. 1740-1780“. In: 650 plus. Geschichte der Universität Wien, 05.02.2021, online unter <https://geschichte.univie.ac.at/de/artikel/die-medizinische-schule-des-18-jahrhunderts>; (29.06.2021).
{ii} Vgl. hierzu Karl Holubar, Helmut Wyklicky, Wiener Schule(n). In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf KeiI und Wolfgang Wegner (Hg.), Enzyklopädie Medizingeschichte, Bd. 1 (Berlin 2007), 1487-1494 mit Brigitte Lohff, Gedanken zum Begriff »Wiener Medizinische Schule« (Thoughts on the term »Viennese Medical School«). In: Daniela Angetter, Birgit Nemec, Herbert Posch et al. (Hg.) Strukturen und Netzwerke. Medizin und Wissenschaft in Wien 1848–1955 (Göttingen 2018), 41-72.
{iii} Vgl. Homepage des Archivinformationssystems des Universitätsarchivs der Universität Wien, online unter <https://scopeq.cc.univie.ac.at/Query/deskriptordetail.aspx?ID=343378>; (29.06.2021).
{iv} UAW, CA 1. 4. 112, 3.
{v} Vgl. Joseph Hyrtl, Vergangenheit und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie an der Universität Wien (Wien 1869), XXX-XXXI.
{vi} UAW, CA VA Fasz. G, Nr. I.